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Warum Leere (k)ein Luxus ist

Um erfüllt zu leben, brauchen wir Leere. Denn nur, wenn wir leer sind, können wir zu uns finden. Dabei kommen wir auch der ursprünglichen Bedeutung des Wortes nah. „Leer“ heißt eigentlich „was (vom abgeernteten Feld) gelesen werden kann“. Statt uns zu sammeln nutzen wir den Leerlauf in unserem Leben jedoch meist, um uns zu zerstreuen.

Leere ist im Leben der meisten Menschen ohnehin ein ziemlich seltenes Phänomen.  „Luxus“ eben, im wahrsten Sinne des Wortes als „Abweichung vom Normalen“. Normal sind volle Straßen, ein voller Terminkalender und ein voller Kopf. Kaum jemand, dessen so genannte „Freizeit“ nicht vollgepackt ist mit Aktivitäten.

Das ständige voll Sein lenkt uns nicht nur von uns selbst ab, sondern auch von der tiefen Wahrheit, dass das Leben hauptsächlich aus Leere besteht – im Großen wie im Kleinen. Der Makrokosmos des Universums besteht aus unendlichen Weiten, in denen sich nur sehr vereinzelt Sterne und Planeten bewegen. Im Mikrokosmos eines Atoms schwirren die Teilchen mit viel Abstand voneinander umher. Nur durch ihre stetige rasante Bewegung im leeren Raum kreieren sie die Illusion von dichter Materie.

Während der westlich geprägte Verstand wenig Sinn hat für die Bedeutung von Leere, so zeigt sich die Wertschätzung für das leer Sein beispielsweise in einem für unsere Begriffe spärlich eingerichteten japanischen Zimmer. Wenn ein riesiges Gemälde fast zur Gänze aus leerem Reispapier besteht, auf das nur ein paar winzige Tuschestriche gepinselt wurden, so könnten wir dies leicht als Verschwendung, als unnötigen Luxus, abtun. Ja, Leere ist ein außergewöhnlicher Luxus – allerdings ein lebensnotwendiger.