Geld oder Leben

Wie würdest du dich entscheiden, wenn dich jemand mit vorgehaltener Waffe vor die Wahl stellt, dein Geld oder dein Leben herzugeben? Auch wenn die Antwort selbstverständlich scheint, so könnte es uns passieren, dass wir reflexartig unser Hab und Gut schützen und damit Leib und Leben riskieren.

Dies wurde mir bewusst, als ich eine Zeit lang in Zentralamerika lebte. Mein damaliger Freund bat mich, sollte ich überfallen werden, ohne zu zögern alles herauszugeben, was von mir gefordert würde. Zum Glück bin ich nie in die Situation gekommen, seinen Rat befolgen zu müssen. Und ich hoffe sehr, dass niemand, der oder die das hier liest, jemals in solch eine brenzlige Lage kommen möge.

Gleichzeitig wünsche ich mir, dass wir diese Extremsituation als Anlass nehmen, um darüber zu reflektieren, wie wir uns alltäglich entscheiden. Welche Wahl zwischen Geld und Leben treffen wir, wenn wir auf viel sanftere Weise vom Leben dazu aufgefordert werden? Was, wenn wir keine Pistole auf der Brust spüren, sondern einen viel subtileren Druck finanzieller Verpflichtungen oder gesellschaftlicher Erwartungen? Wie bewusst ist unsere Wahl, wenn wir nicht unser ganzes Leben auf einmal opfern? Vielleicht erscheinen uns ja Ratenzahlungen von beispielsweise acht Stunden Lebenszeit täglich annehmbar.

Das Paradoxe ist, dass wir in Wahrheit gar keine Wahl haben. Zwar könnten wir lange darüber diskutieren, ob es in unseren Breitengraden und in der heutigen Zeit möglich ist, ohne Geld zu leben. Doch wir sind uns wohl alle einig, dass wir ohne Leben mit unserem Geld nichts anfangen können.

So zugespitzt und damit schon beinahe plump wird deutlich, dass es einen anderen Grund geben muss, warum die meisten von uns Angst haben vor der Erfahrung, Geld zu verlieren. Was sich so vernichtend anfühlt, ist nicht der (mögliche) finanzielle Verlust. Ohne dass es den meisten von uns bewusst ist, verlieren wir egal ob bei einer Kündigung, bei einem Überfall oder bei einem Börsencrash mit dem Geld oft etwas viel Wertvolleres: unser Vertrauen. Und ohne Vertrauen können wir tatsächlich nicht leben. Wenn wir umgekehrt selbst angesichts eines solchen Schicksalsschlags unser Vertrauen ins Leben behalten – oder es wiedergewinnen – dann haben wir in Wahrheit nichts verloren. Und vielleicht rückblickend sogar etwas gewonnen. Denn, so ist meine eigene Erfahrung, jedes Mal, wenn ich mich voller Vertrauen für das Leben entschließe, werde ich reichlich beschenkt.