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Das Paradies blüht im Jetzt

Es ist an der Zeit zu leben. Jetzt. In diesem Moment. Nicht erst, wenn ich meine Buchhaltung erledigt, meine Wohnung aufgeräumt und meine Kindheit aufgearbeitet habe. Um diese Erkenntnis umzusetzen braucht es einen Zeitenwechsel oder eher eine Veränderung der Perspektive auf Zeit.

Auch wenn die meisten Menschen denken, sie lebten in einer dreidimensionalen Welt, bewegen sie sich meist nur zweidimensional. Auf einer Linie geht es gefühlt immer in die eine Richtung von der Vergangenheit in die Zukunft. Was hinter uns liegt, ist vorbei, was vor uns liegt, gilt es noch zu erledigen. Dies entspricht der linearen Zeit, die nach Chronos, dem der griechischen Gott der Zeit, chronologisch genannt wird.

Es ist ein Merkmal unserer Gesellschaft, dass nicht das getrieben sein an sich als ungesund betrachtet wird, sondern all diejenigen, die damit ein Problem haben, als krank. Wer sich das Geschenk gönnt, einfach präsent zu sein und die Gegenwart zu genießen, läuft Gefahr, der Prokrastination bezichtigt zu werden, das heißt daran zu leiden, Dinge aufzuschieben.

Selbst wenn wir gewillt sind, durch Meditation, Atemübungen oder Mindset-Techniken für eine Weile aus dem Wettlauf auf der chronologischen Linie auszusteigen und in der Gegenwart präsent zu bleiben, gelingt dies meist nur kurz. Stress ist nicht das Problem, warum so viele Menschen erkranken. Es fehlen die Erholungsphasen, denn weder in der Vergangenheit noch in der Zukunft können wir uns regenerieren. Und was sollen wir tun, wenn der gegenwärtige Moment – eingequetscht zwischen Vergangenheit und Zukunft – offensichtlich verschwindet?

Die Lösung finden wir weder, wenn wir zurück noch, wenn wir nach vorn schauen. Es geht darum, die dritte Dimension, die allen Menschen offensteht, zu entdecken. Das ist die vertikale Achse, die unseren Blick für das Oben und Unten öffnet. Der winzige Moment zwischen Vergangenheit und Zukunft auf der chronologischen Linie weitet sich ins Unendliche, wenn ich mich auf der Achse zwischen Himmel und Erde bewege. Indem ich mich sprichwörtlich im Jetzt versenke, bekomme ich Zugang zu Kairos, der zweiten Zeitqualität nach altgriechischer Weisheit, die sich zyklisch, also kreisförmig bewegt. Hier lädt mich das Leben ein, mich über das Dunkle der Vergangenheit zu erheben – anstatt vergeblich zu versuchen, durch ein ständiges Erhöhen der Geschwindigkeit zu entrinnen. In diesem ewig gegenwärtigen Moment des Augenblicks blüht das Paradies.